Die Legende von Luigi und Oleg
Text: Luise und Olaf
„Fuck“ murmelte Oleg erschöpft und dann noch einmal bekräftigend „fuck, fuck, fuck, das war doch nicht wirklich nötig, Luigi!“
Aber es war nicht die Erschöpfung, die ihn zu diesen Flüchen trieb, es war mal wieder Luigis Unbeherrschtheit und jeder, der ihn kannte, wusste, wie viel Wert er auf eine gepflegte Sprache legte. Dies stand ganz im Gegensatz zu seinem verlebten Äußeren und dem überaus zweifelhaften Beruf dem er nachging. Oleg war ein Mafiakiller, einer der alten Schule, einer der eine gute alte .45-Patrone aus seinem 6-Schüsser diesen posenden italienischen Hänflingen mit ihren Maschinenpistolen vorzog. Diese Vorliebe für das kaum zu bändigende Kaliber hatte ihm den Spitznamen „.45“ eingetragen.
„Damit hättest du nicht gerechnet, ich mache halt keine halben Sachen.“ grinste ihn Luigi, sein Partner in diesem so tödlichen Duo an, den Gesichtsausdruck des deutlich älteren Oleg richtig deutend. Während Oleg schon seit vielen Jahren Teil der kalabrischen Cosa Nostra war, war Luigi neu im Geschäft, der junge Mann war vor einigen Jahren aufgetaucht, hatte sich aber sehr schnell einen Namen gemacht. Oleg hielt ihn erst für einen Schwächling, groß, aber schmal hatte Oleg, der keiner Kneipenschlägerei aus dem Weg ging, einmal den Fehler gemacht, Luigi zu provozieren.
„Luigi, wenn deine Arme so kräftig wären, wie deine Zunge frech, dann würdest du vielleicht auch mal endlich richtigen Bartwuchs kriegen!“. Alles hatte gegröhlt, damals auf der Finca, aber Oleg konnte gar nicht so schnell gucken, wie Luigi sein Stilett gezogen hatte und ihm ein hauchzartes, aber stark blutendes Kreuz auf die Brust geritzt hatte. Diese meisterhafte Führung der Klinge hatte Luigi den Namen „die Klinge“ eingetragen. Er mochte jede Art von Hieb- und Stichwaffe und verabscheute großspuriges Verhalten, auch wenn er selbst gerne fluchte.
Als Donna Franceska die Familie übernommen hatte, hatte sie gesehen, dass Oleg kaum noch zu kontrollieren war, der Alkohol ihm zusetzte und gleichzeitig Luigi von dem erfahrenen und skrupellosen Oleg profitieren konnte. Luigi war ein ungeschliffener Diamant, sein gutes Aussehen, gepaart mit dieser Tendenz, dass jeder ihn unterschätzte, war für einen Mafiakiller wie ein Sechser im Lotto. Erst wollte Oleg nicht im Team arbeiten, er hatte da so eine Sache am Laufen und gleichzeitig trieb er sich gerne in üblen Spelunken rum, sollte das alles ein Ende haben?
Aber auf den Fahrten zu ihren Jobs hatten sie sich schätzen gelernt und die Präzision, mit der Luigi ablieferte, unterschiedlichste Situationen meisterte und vor nichts zurückschreckte, hatte Olegs Meinung völlig revidiert.
Der heutige Job war bezeichnend für dieses Duo. Sie provozierten sich beide ständig, beide liebten das Spiel mit Worten und während sie auf den Auftrag warteten, hatte Luigi mal wieder Oleg mit seiner Raucherei und Sauferei aufgezogen, Oleg hatte gekontert, dass er trotzdem noch schneller laufen könnte als Luigi die Bohnenstange. Luigi hasste es, wenn er ihn so nannte und war ihm an die Gurgel gesprungen und hatte ihm kräftig ins Gesicht geschlagen. Zwei Mafiakiller, die sich prügelten, war das erste, das der Kunde von ihnen sah.
„Na, toll, da haben sie mir aber zwei Pfeifen gesch…“, er kam nicht mehr dazu „geschickt“ auszusprechen, so schnell hatte Luigi sein Messer gezogen und die Klinge nur um Haaresbreite vor seiner Kehle gestoppt, jeder Mut war seither aus dem sonst so großspurigen Kerl verpufft.
Sie hatten den Auftrag in einer braunen Aktentasche erhalten und hatten dann auf das Ziel gewartet. Was dann folgte, war eine Kakophonie an Gewalt, Schüssen und einer gehörigen Portion Adrenalin aber zum Schluss hatten sie es geschafft, das Geld war in der Aktentasche und auch mit 9 Fingern konnte das Ziel immer noch Geld zählen, nur halt nicht mehr bis 10.
„Luigi, du und deine verdammte Theatralik, der Typ war doch schon weich gekocht, der Finger war nicht nötig.“ hatte Oleg gelacht.
„Aber er wird sich ab sofort an uns erinnern, der kommt uns nicht mehr in die Quere.“ hatte Luigi frech gegrinst und bei diesem Satz wollte Oleg seinem jungen Freund freundschaftlich auf die Schulter klopfen, war aber ins Straucheln gekommen und hatte Luigi fast umgeworfen.
Ihr für einen Mann hoher Schmerzensschrei entlockte Oleg ein Grinsen.
„Luigi…“ grinste er seinen Kompagnon fröhlich an, denn durch die Tonhöhe hatte sich verraten, was keiner wissen durfte, Luigi war eine Frau und genau durch diese Tonlage hatte er es damals auch irgendwann gemerkt.
„Als Frau hätten sie mich nie meiner Leidenschaft nachgehen lassen, danke, dass du so stumpf warst, all die Zeichen zu übersehen, nur eine Vogelscheuche hätte noch weniger mitdenken können.“ foppte sie ihn und fast synchron ihre Hosen hochziehend zogen sie von dannen.
Fotos: Einzelbilder jeweils Luise oder Olaf
Wir danken Jens Holbein für die Bilder, auf denen wir beide zu sehen sind!